Das Buch versammelt bislang verstreute Geschichten und neue Stories über das kleine Glück.
Von Namenlosen wird hier erzählt, von kleinen Leuten in großen Nöten, vom verborgenen Leben und von frostigen Fingern. Welches Kraut ist gegen Gewalt und Krise, gegen Krankheit und Hass, gegen Neid und Missbrauch gewachsen? Gibt es überhaupt so ein Kraut und wo kann man es finden - mitten in der Stadt?
»Servene ist Erfinder und Dramaturg zugleich, der sich Gedemütigten, Verletzten und Zerstörten widmet. Seine Protagonisten kämpfen und bieten dem Leben die Stirn. Seine Schauplätze menschlicher Hoffnungen und Ängste, seine Dramatik in alltäglichen Geschichten, der geschilderte Zerfall von Sozialstrukturen sind es, die Juroren überzeugen.« (Mannheimer Morgen).
»Unaufgeregt und schonungslos erzählt Klaus Servene in den hier versammelten Stories über die Schattenseiten des Lebens im 21.Jahrhundert. Es sind Geschichten über den Notfall, über den Ausnahmezustand, der zur Regel geworden ist; Geschichten über heilige, doch unreine Orte.«
Jürgen Nielsen-Sikora, Köln
»Nicht nur der Stil Servenes ist (...) ein zupackendes und nicht mehr loslassendes Element, auch die auf den Punkt treffende Darstellung seiner Protagonisten öffnet den Blick hinein in die Zerfaserung, Vereinsamung und Isolierung menschlicher Existenz mit all ihren Folgen, nicht ohne Lichtschimmer am Horizont zu belassen. Ein Schriftsteller, der tatsächlich seine Geschichten wie Kastanien aus dem Schmutz fischt und sie solange geduldig säubert, bis sie zu glänzen beginnen. Empfehlenswert.«
Michael Lehmann-Pape, Leverkusen
Empfehlung von Barbara Kette, Lektorat der Stadtbibliothek Mannheim (Medientipp des Monats Februar 2011; www.mannheim.de):
(...) Geschichten, die – und das ist nicht übertrieben – wirklich unter die Haut gehen.
Die Protagonisten sind immer diejenigen am Rand der Gesellschaft: gescheiterte Künstler, aus der Haft Entlassene, eine arbeitslose Telefonistin oder einfach Menschen in der Straßenbahn. Oft gibt es eindeutige Hinweise auf Schauplätze in Mannheim, wie in „9 Uhr 9, Grenadierstraße“, wo der Straßenbahn fahrende Ich-Erzähler feststellt: “Der Paradeplatz, ein Aushängeschild dieser Stadt, ist der schönste Niedriglohnsektor der Welt“ und „Während der Fahrt schaue ich mir die Leute an. Eigentlich sind sie keine Arschlöscher, sie scheinen nur so, auf den ersten Blick“.
Dann wieder Geschichten, die irgendwo in Deutschland spielen: Ein aus der Haft Entlassener kauft seinem toten Kamerad und Freund aus dem Knast eine Urne und füllt sie mit Asche, die er aus drei fremden Urnen zusammengeklaut hat. Oder die Geschichte von dem Maler, der sich mit einem Küchenmesser im Herz umbringt :“Sein Tod – ein letztes Unikat“.
Der Autor hat einen Blick für die skurrilen Wendungen des Lebens. Seine Geschichten sind nicht ohne einen trockenen Humor, verfügen manchmal auch über Sarkasmus, wovon auch der szenische Anhang: „Styx – oder die Krise ist machbar!“ zeugt. Aber immer ist seine Sympathie auf Seiten seiner Figuren, für die er meist einen kleinen Hoffnungsschimmer auf die Zukunft bereit hält. Lesenswert!
"Lebendige Geschichten" - Rezension Mannheimer Morgen - Thomas Groß, 28.Oktober 2010:
Die im Schatten sieht man nicht, meinte Bert Brecht. Der Mannheimer Autor Klaus Servene rückt gerade sie ins Licht - einen "Verrückten", dem sein Psychiater sagt, er leide im Grunde an sich selbst, eine antriebslose Frau, die Opfer sexuellen Missbrauchs wurde, einen Haftentlassenen, einen Künstler, der sich wohl das Leben nahm. Durch deren Brille blickt der Autor auf die Gegenwart, souverän und wirklichkeitsgesättigt, in einer Art pointiertem, sozialem Realismus. "Was ist schon ein Name? Man ist frei, wenn die Seele so stark ist, dass man keinen Namen mehr braucht", sagt der aus der Haft entlassene Betrüger. In einer anderen Geschichte meint der Erzähler: "Die meisten Menschen genießen das Leben ohne Grund."
Positiv Gestimmte gibt es in diesem Prosaband freilich auch - eine alte, kranke Frau zum Beispiel, die sagt, sie habe viele Glücksmomente erlebt. Es gibt Menschen, die an den Rollstuhl gefesselt sind, Kriegsversehrte oder gescheiterte Karrieristen, die der Erzähler genau betrachtet, um in ihren Regungen den Kern ihres Wesens, ihrer Ängste und Hoffnungen zu erhaschen.
Intensiv gelebt
Registriert wird auch Regionales. Anderswo spielen könnten dennoch viele der Texte, unter denen auch Beziehungsgeschichten mit teils fantastischen Motiven sind, die Titelgeschichte "Mannheim, Germany" aber nicht. Sie zeigt den Autor von einer ironischen, heiteren Seite: Um "Asbach-Charly" und einen "Ochgottochgott" genannten Milieukundigen geht es, eine Liebeserklärung an die Quadratestadt und an die Autorengruppe "Räuber 77", der auch Servene angehört, ist es. Die Herren erwägen, einen "dieser Schreiberlinge" zu entführen, "weil doch endlich mal einer ihre Geschichte aufschreiben musste". Denn: "Hatten sie nicht lange und intensiv genug gelebt, um ein Stückchen Unsterblichkeit zu verdienen?" Man liest hier, ironisch verschlüsselt, Servenes literarisches Selbstverständnis. Intensives Leben schildert er, spitzt zu und spart Schattenseiten nicht aus. tog
LESEPROBE
Mannheim, Germany - Stories
170 Seiten, Fadenheftung, Hardcover mit Schutzumschlag, Lesebändchen, Achter-Verlag, ISBN 978-3-9812372-45, 17,80 €
www.achter-verlag.de