Donnerstag

Darina Schneider: Sehsucht. Gedichte.

Auf Einladung der Elias Canetti-Gesellschaften liest die Autorin am 15.10.2019 in Sofia und in Russe am 13.10.2019 aus ihrem neu erschienenen bulgarischen Gedichtband 'Geheimfach'. In Russe im Elias Canetti-Haus. Darina Schneider – Presentation of “The Secret Drawer”, “Elias Canetti” Publishing House, 2019 Moderator: PhD Mira Dushkova. Born in 1980 in Bonn, Germany, Darina Schneider comes from a family of a Bulgarian mother and a German father. She graduated from Bonn High School, studies pharmacy, and after 6 years of practice in the field she took a new path. She retrained as a Sound Director and Media Producer, traveling across Central America and Asia. She starts writing poems in German at the age of 32 and her only, up to now, poetry collection SEHSUCHT / Thirst for Look / is published in 2017 by Andiamo Publishing House, Mannheim. She took part in compiling the Anthology of Bulgarian authors around the world, publications in the newspaper Slovo Dnes, Bulgaria Chicago and others.

Her publisher, Klaus Servene, who is known to Bulgarian readers from Savremennik magazine, writes in his afterword:”Darina Schneider has clearly skipped all stages of poetic development and presents us with mature and accomplished poems as her first works”.Three years of literary silence ensued. The poetess became a mother of two children - now they are four and two years old. After three-month stay in Bulgaria in the summer of 2017, Darina Schneider also writes in Bulgarian. “In the three cycles of her lyric waterfall, Darina Schneider creates intuitively minimalistic poetry with a volume of only a few words, but precisely arranged; graphic touches, but in fact colorful states of conflict and attraction, of love and disgust, of finding and spliting -as real in the extremes of life as any modern woman's universe can be. Her passion has the cipher "my boneless soul", and the long journey of "broken hearts" ends "at the edge of the precipice." (Angela Dimcheva)


Dr. Georg Schwikart am 30. Dezember 2017:
Diese Texte sind kein lyrisches Fastfood. Man muss sie kauen. Dann munden sie herrlich. Doch zunächst wirken sie eher bitter: „apokalypse“, „höhlentaucher“, „schattenfee“ oder „nekrose“ sind einige der Gedichte überschrieben. Die Autorin zeigt uns dunkle Bilder und zwingt zu heiligem Ernst; das erreicht sie jedoch mit wunderbaren Formulierungen: „irgendwo im schlick / schnappen stimmgabeln / nach luft“, oder „ein ohr hüpft humpelnd / nach hause zum / allerletzten // mahl“.
Hier beweist Darina Schneider ihr sprachliches Können, die Worte nötigen zum ehrlichen Hinschauen: „Sehsucht“ ist der Band tituliert, und beim raschen Überfliegen hatte ich natürlich SehNsucht gelesen. Aber das steht da nicht. Unsere Sehnsucht mag auf das Tröstende und Glückspendende aus sein, doch der Dichterin Sucht ist der sezierende Blick, wie es wirklich ist: „lichter flimmern unerbittlich“ und „wir brauchen das unglück / wir lieben den frust“.
Was wir betrachten, ist nicht immer schön, und doch zeichnet Darina Schneider kein depressives Weltuntergangsgemälde. Wer nämlich mit „Sehsucht“ hinsieht, sieht auch die pittoresken Details: wie unterm Leichentuch gekichert wird oder wie Maden schlemmen … Deswegen ermutigt sie: „schau lieber hin mein feigling / musst gar nicht beichten“.
Der Band verspricht nicht schnellen Genuss, doch wer sich auf Lektüre mit offenen Augen einlässt, der findet reife Texte einer jungen Lyrikerin, von der wir uns weitere Texte erhoffen dürfen. Übrigens: Pumpernickel – oder Schwarzbrot – hält sich lange!

Leseprobe:

pack mich piano
am dunkelsten tag
wenn mars' kräfte weichen
meteoriten in leerlauf verharren

halt mich pianissimo
im stillsten sturm
wenn venus ermüdet
polarlichter in schwärze erfrieren

schnapp mich – vite vite
in sanfter schlacht
wenn aphrodite welten verschlingt
sonne mit polkappen verklebt

lieb mich forte
in hellster nacht
wenn monde untergehen
schnuppen den rückzug wählen

ufos sprengen dein
stern
welt
bild

Selten hat eine Lyrikerin so lange Gedichte in sich getragen. Selten sind Werke noch vor dem Aufschreiben so abgeschlossen gewesen. Darina Schneider hat offensichtlich die üblichen Entwicklungsstufen des Werdens als Schreibende übersprungen und uns Erstlinge als fertige Werke vorgelegt. Gedichte in einer modernen Sprache (Nekrose, Kardiosklerose, Snooze usw.) mit einem natürlichen inneren Rhythmus, der vom Duktus der Notwendigkeit bestimmt wird, uns Lesern bewegende und bedrängende Lebensinhalte und Alltäglichkeiten mitzuteilen.

Mikro- und Makrokosmos reichen sich in den Zeilen der Lyrikerin die Hand. Weibliche Leidenschaft und Erotik schimmern durch das präzise Gewebe der Worte.

Klaus Servene
Herausgeber

Anmerkungen zu den Gedichten SEHSUCHT von Darina Schneider

Frieden nicht Waffenstillstand – was für ein „Anspruch“! Die Jungautorin erforscht mit ihrer Lyrik gleichermaßen das Leben und die Sprache. Das könnte banal daherkommen, verblüfft aber immer wieder mit Metaphern, die zum Nachdenken anregen. Speere voll Ehrfurcht, jauchzende Ampeln, Kolonien voll Achtsamkeit, Ewigkeit schlemmende Maden – überbordende Phantasie oder Gehhilfe aus dem Einerlei unseres Alltags, aus der Trostlosigkeit des Gewohnten?

Kichern unterm Leichentuch? Da will etwas entkommen, will Neues entdecken und sich selber finden! Sehsucht. In diesem Titel und in der Fülle und Ausgewogenheit der einzelnen Texte findet sich geballt der Wille, vorwärts zu gehen aber gleichzeitig einzudringen in etwas Inneres, Eigenes und doch Unbekanntes.

Sehsucht, vielleicht kennt sie jeder auf seine Weise, aber wer vermag dies Wissen so zu komprimieren und gleichzeitig zu öffnen, zu entfalten!

Freuen wir uns darauf, was der Sehsucht Darina Schneiders noch begegnen wird.

Dr. Ilse Zilch-Döpke, Berlin

Darina Schneider, geb. 1980 in Bonn, Praktikum und Studium im Bereich der Pharmazie, entschied sich nach sechs Jahren Berufspraxis in Apotheken einen ganz neuen Weg einzuschlagen. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Medienproduzentin Bild und Ton, sammelte Erfahrungen während zahlreicher Reisen in Zentralamerika und Asien.
Mit „Sehsucht“ legt sie ihren ersten Gedichtband vor.

Hardcover mit Schutzumschlag, 48 Seiten, 14.80 €, ISBN 9783936625844