Sonntag

Almuts Affären - Roman von Jan Turovski

Jan Turovski: Almuts Affären, Roman, 200 Seiten, Paperback, 13.90 €, ISBN 978-3-936625-78-3

Jan Turovskis skurril-melancholische Hommage an die Liebe der Frauen.

Sie hätte bei dem Gedanken gelächelt, dass keine Obduktion, keine Untersuchung, kein Sezieren von Körper und Leben in der Lage ist, einen Menschen vollkommen zu fassen und zu enthüllen. Was zählt da ein einziges verdorbenes Bein!

Almut Köhler, 59, führt erfolgreich die Pension Zum Halben Hahn in einer süddeutschen Universitäts- und Festspielstadt. Man kennt sie im Viertel, sie ist beliebt, setzt sich für ihre Leute ein. Studenten, Schauspieler, Sänger, Choristen, Ballett-Tänzer, Deutsche wie Ausländer. Doch sie leidet, weil sie leicht gehbehindert ist und glaubt, darum nicht die Liebe zu finden, von der sie träumt. Zum Ersatz lauscht sie an Zimmertüren, sieht vom Fenster aus in andere Fenster, malt sich Liebesszenen aus, mit nichtsahnenden Männern, wie ihrem Buchhändler, ihrem Apotheker und ihrem Arzt. Heimlich trägt sie Reizwäsche, genießt das öffentliche Leben wie ein Theater-Voyeur und führt privatim wie eine Filmregisseurin fremde Bilder, Geräusche und Gerüche zusammen; gerade so, wie es ihr gefällt.

An einem Dezembertag inszeniert sie ihren Freitod. Sie stirbt, doch auf verblüffend unerwartete Weise lebt sie weiter ...

Weiterleben kann nur, wer in die Welt sieht, als befinde er selbst sich im Zentrum. Zuweilen scheint es sinnlos, dass so viele das Gleiche tun.

Besprechung im Mannheimer Morgen: Der Funke des Eros; 15. Januar 2016 Hier

Besprechung im Bonner Generalanzeiger Hier.

Jan Turovski beschenkt uns wieder mit einem neuen Roman, diesmal mit der Entfaltung dessen, was er in der Seele einer Frau findet bzw. in sie hineindenkt. Schon die Abbildung auf dem Cover – wie gewohnt vom Autor selbst gestaltet – weist auf Verschattetes hin mit vielen Fenstern, die sowohl hinaus- als auch hereinzuführen scheinen. Geheimnisvoll auf jeden Fall.
Was geht im Inneren einer Frau vor, die einerseits ein aktives, scheinbar erfülltes Leben führt und andererseits doch einer körperlichen Behinderung prägenden Einfluss auf ihr Dasein einräumt! So ist sie gezwungen sich eine Art Scheinleben durch die „Teilnahme“ am Erleben anderer – ihrer Hausgäste zumal - zu verschaffen und imaginierend zu erweitern. Der Autor folgt ihr und führt sie doch gleichzeitig, sodass der Leser überrascht und wohl auch skeptisch auf die Fortsetzung wartet. Affären sind es, kurzzeitig, nicht tiefgehend, mit denen Almut ihren Lebensweg pflastert, damit er nicht im Gestrüpp von Langeweile, Depression und Enttäuschung stecken bleibt. Nein, sie versteht es, immer wieder eins der Fenster, die auf dem Cover geheimnis- und doch auch verheißungsvoll Nebel- und Sonnenstrahlen brechen, aufzustoßen.
Theater ist ein Schlüsselwort – in vielerlei Beziehung in ihrem Leben präsent bis zu dem überraschenden Schluss, der hier nur angedeutet werden soll. Ihr Leben rundet sich und endet nicht wirklich.
Jan Turovski ist wieder ein Kabinettstückchen gelungen, dessen Lektüre den Leser so kurzweilig wie nachdenklich entlässt. Man ist gespannt auf das nächste Buch!

Dr. Ilse Zilch-Döpke, Berlin